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Reaktionsgeschwindigkeit

Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst und lässt sich entsprechend durch verschiedene Regeln und Gleichungen näher beschreiben.


1. Konzentration


Nach dem sogenannten 'Kollisionsmodell' müssen Teilchen zunächst mechanisch aufeinandertreffen, um miteinander reagieren zu können. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes steigt mit der Konzentration der entsprechenden Teilchen an. Die Geschwindigkeit der Reaktion hängt somit von der Konzentration der Ausgangsteilchen bzw. der Edukte ab.


Nicht jedes Aufeinandertreffen der Teilchen ist allerdings auch 'erfolgreich' darin, eine Reaktion auszulösen. Damit Kollision und Reaktion miteinander einhergehen, ist eine Mindestenergie sowie eine bestimmte räumliche Orientierung der Teilchen notwendig.


Da die kinetische Energie der einzelnen Teilchen von ihrer Geschwindigkeit abhängt und diese wiederum durch die Temperatur bedingt wird, lässt sich auch eine Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit festhalten (siehe '2. Temperatur').


Die Konzentrationsabhängigkeit der Reaktions- bzw. Umsatzgeschwindigkeit lässt sich mithilfe eines einfachen Beispiels veranschaulichen: Gibt man angesäuerter Oxalsäure-Lösung Kaliumpermanganat zu, entfärbt sich die Lösung ausgehend von violett zu einer farblosen Flüssigkeit. Je höher die Konzentration (je geringer also die Verdünnung) der zugesetzten Permanganat-Lösung, desto schneller lässt sich die Entfärbung beobachten.



Entfärbungsreaktion Oxalsäure und Kaliumpermanganat: Redoxgleichung


Im Falle der Reaktion zwischen Kaliumpermanganat und Oxalsäure lässt sich zusätzlich noch ein weiterer Effekt, die Autokatalyse, beobachten (siehe '3. Katalyse'): Die Entfärbung beginnt allgemein vergleichsweise träge, gewinnt aber über den Reaktionsverlauf an Geschwindigkeit. Die entstehenden Mangan(II)-Ionen wirken als Katalysator. Je mehr Produkt also gebildet wird, desto effizienter kann die Reaktion katalysiert werden: Die Geschwindigkeit nimmt somit im Laufe der Reaktion zu.


2. Temperatur


Um eine Reaktion zu verursachen, muss ein Teilchenzusammenstoß bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So muss während des Zusammenstoßes aus Perspektive der Reaktionskinetik beispielsweise ausreichend Energie freigesetzt werden, um eine Reaktion zu 'aktivieren'. Da die kinetische Energie von der Geschwindigkeit der Teilchen abhängt, geht eine Temperaturerhöhung (und damit eine erhöhte Teilchengeschwindigkeit) mit einer gesteigerten Reaktionswahrscheinlichkeit einher.


Die Reaktionsgeschwindigkeits-Temperatur-Regel, kurz RGT-Regel, beschreibt den grundlegenden Zusammenhang zwischen Temperaturänderungen und Reaktionsgeschwindigkeiten chemischer Reaktionen: Nimmt die Temperatur um 10 Kelvin zu, nimmt die Geschwindigkeit einer (bio-)chemischen Reaktion etwa um den Faktor 2-3 zu.


Genauer betrachtet gilt die Regel für schnelle Reaktionen bei nicht allzu hohen Temperaturen, wobei der Faktor einen Wert von 1,5 bis 4 annehmen kann. Der genaue Wert des Faktors lässt sich für die jeweilige Reaktion experimentell bestimmen.


Grundlage der RGT-Regel bildet die Arrhenius-Gleichung. Sie beschreibt den Einfluss der Temperatur auf die Reaktionsgeschwindigkeit näher:



Arrhenius-Gleichung Formel


  • k: Geschwindigkeitskonstante

  • A: Frequenzfaktor bzw. präexponentieller Faktor

  • EA: Aktivierungsenergie

  • R: allgemeine Gaskonstante

  • T: absolute Temperatur


Eine Erhöhung der Temperatur sowie ein Absenken der Aktivierungsenergie gehen mit einer Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit einher.


Auch innerhalb des Kollisionsmodell findet sich eine Veranschaulichung der Aktivierungsenergie wieder, denn ein Teilchenzusammenstoß ist nur dann erfolgreich darin, eine Reaktion zu bedingen, wenn sich die Kollisionsenergie größer oder gleich der Aktivierungsenergie ergibt und die Teilchenausrichtung zugleich neue chemische Bindungen ermöglicht.


3. Katalyse


Katalysatoren verändern die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion, ohne dabei selbst 'verbraucht' zu werden, ohne also selbst eine anhaltende chemische Änderung zu erfahren. Um die Reaktionsgeschwindigkeit zu verändern, setzen Katalysatoren die Aktivierungsenergie herab (bzw. heben diese, im Falle von Inhibitoren, an). Die Lage des chemischen Gleichgewichts ändert sich dagegen nicht.


  • Homogene Katalyse: Katalysator und Reaktanden in gleicher Phase

  • Heterogene Katalyse: Katalysator und Reaktanden in verschiedenen Phasen

  • Biokatalyse: Biochemische Katalyse durch polymere Moleküle

  • Autokatalyse: Katalyse durch Produkt - Selbstbeschleunigung der Reaktion.


Das Phänomen der Autokatalyse haben wir mithilfe der Reaktion von Kaliumpermanganat und Oxalsäure bereits kennengelernt: Das entstehende Produkt, in diesem Fall Mangan(II)-Ionen, katalysiert die Reaktion. Eine Zunahme der Produkte entspricht im Falle der Autokatalyse also einer Zunahme des Katalysators und lässt die Reaktion über ihren Verlauf hinweg zusehends schneller ablaufen.


Anhand der Zersetzung von Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff, die ohne Katalyse ausgesprochen langsam verläuft, können wir die weiteren Varianten der Katalyse näher betrachten:



Spaltung von Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff: Reaktionsgleichung


Mithilfe von Eisen(III)-Ionen, eines homogenen Katalysators, lässt sich die Geschwindigkeit leicht erhöhen. Als heterogener Katalysator lässt sich der Feststoff MnO2 nutzen: Die Reaktion läuft wesentlich schneller ab.


Setzen wir der Reaktion einen Biokatalysator in Form des Enzyms Katalase hinzu, verläuft die Reaktion sogar unter deutlicher Schaumbildung. Die physiologische Funktion der Katalase besteht unter anderem darin, das Zellgift Wasserstoffperoxid möglichst effizient abzubauen. Aus biofunktioneller Perspektive betrachtet, ist die heftige Reaktion zwischen Katalase und H2O2 also kaum verwunderlich.


Enzyme wirken als Biokatalysatoren, indem sie spezifisch an Substrate binden und durch Änderung der Aktivierungsenergie entsprechende Prozesse beschleunigen. In lebenden Organismen finden sich Enzyme überwiegend in Form von Proteinen, wobei das sogenannte 'aktive Zentrum' eines Enzyms den eigentlichen Reaktionsort darstellt.


Verantwortlich für die Fähigkeit eines Enzyms, ein Substrat chemisch umzusetzen, ist eine strukturelle Komplementarität. Die, das aktive Zentrum umgebende, räumliche Struktur sorgt dabei für eine hohe Substratspezifität (Näheres zu biochemischen Grundlagen von Enzymen innerhalb des Beitrags 'Enzymfunktionen').


Die Substrataffinität eines Enzyms lässt sich mithilfe der Michaelis-Menten-Theorie näher charakterisieren. Im Rahmen der Theorie verbinden sich Enzym E und Substrat S schnell und reversibel zu einem Enzym-Substratkomplex ES. Zerfällt der Komplex schließlich zu Enzym und Produkt P, wird dieser Vorgang als irreversibel betrachtet, da angenommen wird, dass die Gegenreaktion vernachlässigbar ausfällt. Die Michaelis-Menten-Konstante KM lässt sich wie folgt ermitteln:



Michaelis-Menten-Konstante: Formel zur Berechnung


Der KM-Wert gibt jene Substratkonzentration an, bei welcher die Hälfte der maximalen Umsatzgeschwindigkeit erreicht ist: Je niedriger KM, desto stärker steigt also die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Substratkonzentration.



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Literatur:


Atkins, W. P., Bolgar, P., De Paula, J., Keeler, J. J., Lloys, H., North, A., Oleinikovas, V., Smith, S. (2022). Physikalische Chemie. Weinheim: Wiley-VCH.


Bald, I., Bechmann, W. (2018). Einstieg in die Physikalische Chemie für Naturwissenschaftler. Berlin: Springer-Spektrum.


Job, G., Rüffler, R. (2021). Physikalische Chemie. Berlin: Springer-Spektrum.


Bildquellen: Eigene Darstellung

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